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Der Holländer

Am äußeren Rande des alten Kontinents, in den unzugänglichen Mangrovenwäldern der Maas und der Schelde treibt der Holländer sein Unwesen. Aus Urangst vor dem wilden Hering und der beutegierigen Sprotte hat er sein Stammesgebiet mit großen Erdwällen abgeriegelt. Als zusätzlichen Schutz hat er sein ganzes Stammesgebiet mit Gülle, dem braunen Holländergold, vergällt, damit der blanke Hans nicht über die Deichkrone leckt. In diesen unwirtlichen Breiten, in denen kein Geschöpf der Erde auch nur eine halbe Stunde freiwillig bliebe, hat der Friese seinen verabscheuungswürdigen Gulag errichtet. Abermillionen kerngesunder Tomaten verschleppte er aus der neuen Welt, um sie in seinen gläsernen Baracken an Pfähle zu fesseln. Täglich reißt er ihnen die blassen geschmacklosen Knollen vom Leib, um sie gegen Waffen und Glasperlen bei verbündeten Stämmen in der EG zu tauschen. Das Huhn, einst stolzer Adler des Misthaufens, wird zu hunderttausenden in engen Verschlägen gehalten, damit es die Gülle produziert, die der Holländer im Kampf gegen den blanken Hans und seinen binnenländischen Vetter, das Trinkwasser braucht. Eines der letzten mitteleuropäischen Reptilien, die Gurkenschlange, ist überall ausgerottet, nur in riesigen Feldlagern im Westen wird sie als degenerierte Art, gezüchtet. Gewissenlose Gentechniker haben das ehedem putzmuntere Reptil mit einer Distel gekreuzt, und zum bewegungslosen Leben im Dreck verdammt. In Plastik eingeschweisst liegen die toten Gurkenschlangen in unserern Supermarktregalen und schauen uns traurig an. Eher zufällig kam der Holländer auf seinen langen Kaperfahrten in Besitz eines der harmlosesten und friedfertigsten Tiere der Erde. Der Kiwi, ein flugunfähiger Nachtvogel von den südpzifischen Eilanden geriet den friesischen Treibhäuslern in die Netze und wurde in die nebligen Niederungen am Rande der Nordsee verschleppt. Hier wussten die Häscher lange nichts anzufangen mit dem unscheinbaren Vogel, bis ihnen eines Tages der Zufall zur Hilfe kam. Aus Versehen gerieten ein Dutzend Kiwi-Küken in den Schockgefrierer. Als ein Arbeiter sie herausnahm, waren die dünnen Hälschen und die roten Beine schon abgefallen. Neugierig geworden auf die kleine haarige Frucht, schnitt er den Torso mitten durch und löffelte das zarte hellgrüne Kiwifleisch heraus. Heute liegen die toten Kiwi-Küken in jedem Supermarkt, doch kaum einer ahnt, welch grausame Geschichte aus dem Reich des Holländers sich hinter den keinen haarigen Knäuln verbirgt.